E-Learning ist heute ein weitläufig bekannter Begriff. Aber was steckt dahinter? Was genau ist E-Learning oder Online-Lehre oder digitale Lehre und wie wird sie beschrieben? Leider gibt es für diesen Begriff keine einheitlich anerkannte Definition. Das lässt natürlich einen großen Interpretationsraum zu oder sorgt für Verwirrung, da dies jeder für sich anders betrachten darf. Wie definieren wir E-Learning nun also?
Ich habe mich für diesen Beitrag an einen Versuch gewagt, E-Learning als Reifemodell abzubilden und somit einzelne Aspekte, die im gängigen Umgang mit dem Begriff verwendet werden, einzufangen. Ich nenne es das E-Learning-Reifemodell und hoffe, es wird Ihnen gefallen und bringt Licht in diesen Graubereich.
Eigenschaften und Grenzen des Begriffs E-Learning
Zuallererst sei hier gesagt, dass davon ausgegangen wird, dass E-Learning nicht bei der reinen Arbeit am PC im Unterricht beginnt. Also wenn Lernende etwa im Deutschunterricht an einem Computer etwas tippen sollen, oder wenn in Biologie Tablets zur Recherche verwendet werden. Wir setzen uns, der Einfachheit halber, zunächst Grenzen für den Begriff. Am einfachsten geht dies über die Beschreibung der Eigenschaften. Auch wird bei der Betrachtung der Vor- und Nachteile einzelner Reifegrade nicht auf Aspekte des Datenschutz eingegangen, da sich diese über alle digitalen Bereiche erstrecken und eine allgemeine Betrachtung überlagern würde.
Eigenschaft 1 - E-Learning ist räumlich und zeitlich flexibel
Räumliche und zeitliche Flexibilität bedeutet, dass Ihre Lernenden weder an den Klassenraum oder die Schule noch an einen festen zeitlichen Rahmen gebunden sind, an dem sie ihre Lerninhalte abrufen und bearbeiten. Einzige Ausnahme ist hier jedoch der (synchrone) Unterricht und die Beratung in Online-Meetings. Hier ist lediglich die räumliche Flexibilität ausschlaggebend. Zeitliche Flexibilität würden Sie hier zusätzlich erreichen, wenn Sie Ihre Online-Meetings aufnehmen und für eine spätere (asynchrone) Betrachtung oder Wiederholung zur Verfügung stellen.
Eigenschaft 2 - E-Learning besteht aus digitalen Inhalten und Interaktionen
E-Learning ist grundsätzlich nicht mit Fernlehre unter einen Begriff zu fassen, da bei der Fernlehre auch die analoge Verteilung von Lerninhalten in Papierform Teil der Lehre ist. Es ist einfacher E-Learning gedanklich durch den Begriff der digitalen Lehre zu ersetzen. Natürlich bedeutet E-Learning ausgeschrieben „Electronic Learning“, allerdings ist der digitale Aspekt hier für mich zumindest nicht ausgeprägt genug. Digitale Lehre umfasst somit digitale Inhalte in Form von allerlei Formaten wie PDF-Dateien, PowerPoint-Präsentationen, Webseiten mit Inhalten, Video-Plattformen, sowie Lernplattformen und Anwendungen, die Interaktionen fordern.
Die Reifegrade - Das Corona-Virus als soziale Vorlage
Über die Eigenschaften können wir nun festlegen, welche Begriffe oder Artefakte zur digitalen Lehre gehören. Anhand des Kerncurriculums für Lehrberufe des Landes NRW können die einzelnen Begriffe verschiedenen Handlungsfeldern zugewiesen werden und geben bereits eine grobe Struktur. Es kann jedoch nicht auf Anhieb eine Betrachtung einer Reife angestellt werden. Wenn wir digitale Lehre in Zeiten des Corona-Virus betrachten und uns umhören, wie dies so gelebt wird, können wir unsere Begriffe relativ eindeutig in wenigstens vier Reifegrade aufteilen.
Reifegrad 1 - Verteilung statischer Lerninhalte
Die einfachste Form der digitalen Lehre ist die Verteilung von statischen Inhalten in Form von PDF-Dateien, PowerPoint-Präsentation, Fotos oder Links zu Video-Plattformen und Podcasts per E-Mail. Dies ist eine der gängigsten Strategien bei dem spontanen Wegfallen des Präsenzunterrichts seit Ausbreitung des Corona-Virus im deutschsprachigen Raum.
Reifegrad 2 - Einsatz von Lernplattformen
Der Einsatz von Lernplattformen oder Learning-Management-Systemen(LMS) unterstützt Lehrende und Lernende Fächer und Themengebiete gut strukturiert darzustellen. Zudem ist nachvollziehbar, welche Inhalte bereits verteilt und freigegeben wurden und welche Ergebnisse hierzu hochgeladen wurden. Lernplattformen stellen zudem umfangreiche Funktionen über die Verwaltung und Strukturierung der Inhalte hinaus. Es können sowohl Aufgaben terminiert, als auch Quiz-Aufgaben gestellt und ad-hoc bewertet werden, was eine zügige und detaillierte Lernstandkontrolle ermöglicht. Außerdem können Foren zu Themen freigeschaltet und moderiert werden. Somit können Sie auch mögliche Fragen, sowie die passenden Antwort hierzu, der Klasse freigeben. Vielleicht melden sich einige Lernende auch als Moderatoren und können Sie unterstützen.
Reifegrad 3 - Unterricht und Beratung über Online-Meetings
Durch die Nutzung von Webkonferenz-Software ist ein direkter Austausch mit Lernenden möglich. Die Systeme können für Sprechstunden, Eltern-/Lernendenberatungen und komplette Unterrichtseinheiten verwendet werden. Auch sind hier Mischformen möglich und erhalten die Nähe zu den Lernenden.
Reifegrad 4 Ergänzung von Lehre und Organisation durch Online-Anwendungen
Sprechstunden in Online-Meetings können durch ergänzende Anwendungen, wie etwa die Verwendung eines Doodles unterstützt werden, um diese flexibler zu terminieren. Es können über Kalender Termine freigegeben werden.
Bei Unterricht über Web-Meetings bietet es sich an zusätzlich auf die Vielzahl der digitalen Anwendungen zurückzugreifen. Ein virtuelles Mikroskop kann etwa einen Biounterricht lebendiger gestalten. Es gibt eine Vielzahl von spielerischen Angeboten wie Online-Jeopardy und anderen Anwendungen, um die Lernenden auch in diesen Meetings immer wieder einfangen zu können und ein monotones Abarbeiten von Aufgaben zu vermeiden.
Kritik an diesem Modell
Kritisieren lässt sich natürlich, dass einzelne Anwendungen der verschiedenen Level auch in der Präsenzlehre Verwendung finden können. Somit ließe sich kein Rückschluss auf den Reifegrad des E-Learning an Schulen per se ziehen. Dies ist absolut richtig. Natürlich kann im Präsenzunterricht auch etwa ein JeopardyLabs oder Pingo verwendet werden und ist keineswegs automatisch ein Indiz einer ausgeprägten E-Learning-Verbreitung insgesamt. Dieses Model betrachtet jedoch nicht die Lernform des Blended-Learning, die eine Mischform der Präsenzlehre und digitalen Lehre darstellt. Vielmehr beschreibt dieses Model die reine digitale Lehre unabhängig von räumlichen- und zeitlichen Faktoren. Diese Darstellung soll also auf eine hochdigitalisierte Betrachtung der Lehre abzielen, dessen Ausprägung, ungeachtet der Qualität, in verschiedenen Stufen feststellbar ist.
Fazit
Für mich ist E-Learning nur ein Teil einer guten Lehre, wenn auch ein Wichtiger. Die Verwendung von digitalen Angeboten neben der Präsenzlehre ist Hauptbestandteil der modernen Lernform Blended-Learning.
Natürlich sagen die Reifegrade nichts über die Qualität der Lehre aus und sind auch nicht als Bewertung von Lehrenden geeignet. Sie sollen vielmehr als Orientierung und Inspiration für eine abwechslungsreiche und ganzheitliche Lehre mit Präsenz- und Online-Anteilen verstanden werden.
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Liebe Grüße
Christopher